Nadine Karl

Fraktur - The Sovereignty Of Your Reality


Vierteilige Büstenserie
November 2019
Düsseldorf
Wachs, Gips, Tinte, Modellierperlen
Maßangaben variable

Geschlossene Augen, gezeichnete Haut, Dellen wie mit Fingern geformt. Köpfe, die zu schmelzen scheinen, sich auflösen, kaum greifbar, deren Oberfläche mehr und mehr in sich zusammenschrumpft. Fluide Strukturen zerfließen, geschmolzene Masse senkt sich, neigt sich und scheint nur vorübergehend in einem Moment der Bewegungslosigkeit erstarrt. Seltsame Gebilde aus bunten Plastikkugeln wachsen aus den Schädeln, Fremdkörper breiten sich aus, wuchern aus der glatten Oberfläche, sind giftgrün, signalrot. Extreme Deformationen ergeben sich, erzählen von einem Prozess des Verfalls, wenn sich die Krankheit unaufhaltsam in den Körper frisst. 

Die Serie aus Büsten umfasst vier in Wachs gegossene Porträts keiner bestimmten Person, auch wenn die Silikonabgüsse von einem realen Menschen abgenommen wurden, ergeben sie vielmehr Seelenbilder des menschlichen Seins allgemein, dem der Verfall von Geburt an innewohnt. Sie sind die erste Reaktion auf eine Diagnose, die aussichtslos erscheint, auf die todbringende Botschaft, die alle anderen Sorgen plötzlich unbedeutend macht und das Ich im Angesicht ganz klein. Resignation wie Hoffnung liest sich an den Köpfen ab, bei denen der Wille gegen den Körper verliert, der Mensch nicht länger über sich selbst verfügt. Trotz all des Schmerzes, all der Wut auf das, was nicht zu ändern ist, und der Hoffnung, es sei doch veränderbar, schimmern die Gesichter, sind blau und weiß, fast transzendent. Ihre Haut trägt tausend Farben, hat von der ihr eigenen glitzernden Schönheit noch immer nichts eingebüßt.

Text von Julia Stellmann

Photos: Sonja Heim


Four-part bust series
November 2019
Düsseldorf
wax, plaster, ink, modelling beads
Dimensions variable

Closed eyes, drawn skin, dents as if formed by fingers. Heads that seem to melt, dissolve, barely tangible, their surface shrinking more and more into itself. Fluid structures melt away, molten mass sinks, tilts and seems only temporarily frozen in a moment of immobility. Strange formations of colourful plastic spheres grow out of the skulls, foreign bodies spread out, proliferate from the smooth surface, are poisonous green, signal red. Extreme deformations emerge, telling of a process of decay as disease eats inexorably into the body. 

The series of busts comprises four portraits cast in wax of no particular person, even if the silicone casts were taken from a real person, they rather result in soul images of the human condition in general, to which decay is inherent from birth. They are the first reaction to a diagnosis that seems hopeless, to the deathly message that makes all other worries suddenly insignificant and the self in the face quite small. Resignation as well as hope is read on the heads where the will loses out to the body, where the person no longer has control over himself. Despite all the pain, all the rage at what cannot be changed and the hope that it can be changed, the faces shimmer, are blue and white, almost transcendent. Their skin carries a thousand colours, has still not lost any of its own glittering beauty.

Text by Julia Stellmann
Translated into English by Nadine Karl

Photos: Sonja Heim