Nadine Karl

Mein Haus No.1


Installation
August
Düsseldorf
No.1
Seife, verschiedene Baumaterialien, Rauhfaser

Da ist ein Haus am Rand der Straße, der Garten ist verwildert, die Fenster beschmiert. Die Natur holt sich zurück, was ihr gehört. Wenn du ganz still bist, kannst du die Mauern vielleicht atmen hören. Es scheint der Lauf der Dinge wäre dort angehalten, als gebe es einen Ort jenseits von Raum und Zeit. Was, wenn in dieser Welt ein Platz wäre, der einfach existiert, der unbenommen unverändert bleibt? Der vergessen macht, was im Gestern war und was im Morgen liegt. Wenn allein die Gegenwart im Innern des verfallenen Gemäuers lebt. Im Labyrinth der Zimmer und der Flure aber haust eine Person, unsichtbar, vergessen, losgelöst. Sie liegt im Dunkeln, ihre Haut ist blass, sie lebt dort, wo es keinen Anfang und kein Ende gibt. Sie atmet tief, sie atmet ruhig, aber bleibt im Schatten stets zurück. Um sie herum, da wachsen Gegenstände, wenn das Licht durch enge Spalten wandert und sie schrumpfen, bis der Schatten sie verborgen macht. Manchmal drohen sie sich von den Wänden loszureißen, die Bewohnenden zu erschlagen – sind dann wieder Gefährten, die sich mit deinen dunkelsten Gedanken tragen. Wie viel Zeit ist wohl vergangen, wenn die Möbel mit dir eins geworden sind? Wenn du in deinem Haus wohnst, aber das Haus längst ein Teil von dir ist?

Gibt es einen Ort fernab von Raum und Zeit? In der alten Fiat-Halle an der Erkrather Straße in Düsseldorf realisierte sich ein erster Versuch, ein Experiment. Ein kleines Haus in der Werkstattausgabe aus Rigips, Holz und Raufaserfarbe. Der voyeuristische Blick möchte ein Etwas erheischen und scheitert doch. Wer steht draußen und wer steht drinnen? Im Innern ist es still, wenn der Atem von drei Videoprojektionen die Welt draußen plötzlich leiser macht. In der Kunstakademie ein weiteres Mal realisiert, werden die Betrachtenden nunmehr ausgesperrt. Aus Wellblech und Seife ergibt sich ein Haus, dessen Decke mit dem durchscheinenden Licht wie Flammen trägt. Ein geschlossener Raum, der für sich nur existiert, der sich nach einer Woche selbst zerstört, wenn der Putz in Form von Seife von den Wänden fällt. Die Zeit, die Welt dort draußen, der Lauf der Dinge, bleibt nicht länger ausgesperrt. Sie holt sich Mensch und Ding, bricht ein in die nach außen abgeschirmte Realität, so wie die Natur das Haus am Rand der Straße mit der Zeit sich einverleibt.

Text von Julia Stellmann


Installation
August 2021
Düsseldorf
No.1
Soap, different building materials, wood

There is a house on the side of the road, the garden is overgrown, the windows smeared. Nature is taking back what belongs to it. If you are very quiet, you might hear the walls breathing. It seems the course of things has stopped there, as if there is a place beyond space and time. What if there was a place in this world that simply existed, that remained unchanged? That makes us forget what was yesterday and what lies tomorrow. If only the present lived inside the dilapidated walls. But in the labyrinth of rooms and corridors a person dwells, invisible, forgotten, detached. She lies in the dark, her skin is pale, she lives where there is no beginning and no end. She breathes deeply, she breathes calmly, but always remains in the shadows. Around her there are objects growing as the light travels through narrow crevices and they shrink until the shadow hides them. Sometimes they threaten to tear themselves away from the walls, to slay the dwellers - then they are companions again, bearing your darkest thoughts. How much time has passed when the furniture has become one with you? When you live in your house, but the house has long since become a part of you?

Is there a place far away from space and time? A first attempt, an experiment, was realised in the old Fiat hall on Erkrather Straße in Düsseldorf. A small house in the workshop edition made of plasterboard, wood and woodchip paint. The voyeuristic gaze wants to catch a glimpse of something and yet fails. Who stands outside and who stands inside? Inside, it is quiet when the breath of three video projections suddenly makes the world outside quieter. Realised once again in the Kunstakademie Düsseldorf, the viewers are now locked out. Corrugated iron and soap create a house whose ceiling carries the translucent light like flames. A closed space that exists only for itself, which self-destructs after a week when the plaster falls off the walls in the form of soap. Time, the world out there, the course of things, is no longer locked out. It takes over human beings and things, breaks into the reality that is shielded from the outside world, just as nature absorbs the house on the side of the road over time.

Text by Julia Stellmann
Translated into English by Nadine Karl