Nadine Karl

if you want my future forget my past


Sound I Installation I Licht



if you want my future forget my past


Installation: Nadine Karl

Musik: Lambert Windges

Text: Julia Stellmann

Fotografie und Video: Maxi Lorenz

Video I

Video II

Äste einer Trauerbuche, die sich begehrlich hin zur Erde neigen, sich in ihrer Trauer wiegen, beinah hörbar sich vernehmen ließen, wie der Gorgonen Schwestern Trauerschreie. Auch wenn sie dem Durchblick sich verwehren, nur Auserwählten Einlass geben in ein Zelt aus Zweigen, schützend vor dem Außen liegen, im Innern beinah wissend schweigen. Der Wind streicht durch die Blätter, sodass sie glänzen wie Dukaten, sich bis ins Wasser am Flussufer strecken und die Oberfläche streichen. Vielleicht lösen sich gleich Nixen aus dem dunklen Bach, treten Wassergeister übers Ufer, kämpfen sich aus dicht bewachsenem Pflanzenwucher?

Unter der Buche aber liegt etwas verborgen, Fragment aus einer anderen Sphäre, öffnet den Blick auf Zukünftiges oder Vergangenes. Handelt es sich um ein Relikt einer Kultstätte wie in Iphigenie auf Tauris? Ein archäologisches Ausgrabungsstück? Erde liegt auf dem Polygon, wie auf einer flachen Bühne, die bereitstünde für den großen Auftritt. Wer sich nähert, kann es hören, kann es spüren, wie Klänge vibrierend aus dem Polygon nach außen dringen und Bässe sich der Umgebung bemächtigen. Ein kleiner Haufen Erde türmt sich auf der einen Seite zu einer Pyramide, zur elementarsten aller Formen. Doch durch Vibration schrumpft der kleine Hügel, fällt in sich zusammen wie bei einem Erdrutsch. Archaisch ist die Formsprache, sind die Klänge der Stimme, die im Innern des Objekts verschüttet liegt. Sie erdet die Betrachter*innen. 

Dann aber ein Moment der Irritation, der aus der harmonischen Atmosphäre aufzustören weiß. Der Klang brandet an die permeablen Innenwände und über sie hinaus. Plötzlich fällt er auf – der menschliche Eingriff in die Natur, der Kontrast von künstlich Angelegtem und natürlichem Wachstum. Eine der Begrenzungen zum Beispiel unter der auratisch aufgeladenen Trauerweide konstruiert sich aus Bambusstäben. Bei Einbruch der Dunkelheit beleuchten zudem hohe Strahler die Pflanzenwände. Wie kann Technik mit Natur symbiotisch zusammenwirken? Um globale Krisen zu meistern, müssen wir vielleicht bis an die Wurzel des Naturverständnisses zurückgehen. Denn auf die Gesamtheit der Erde gerechnet gleicht die Menschheit Glühwürmchen, die nur eine einzige Nacht lang aufleuchten, bis sie im Morgengrauen wieder verglühen.


Text von Julia Stellmann


Sound I Installaton I Light


if you want my future forget my past


Installation: Nadine Karl

Music: Lambert Windges

Text: Julia Stellmann

Photography and Video: Maxi Lorenz

Video I

Video II

Branches of a mourning beech, which bend covetously towards the earth, sway in their mourning, almost audibly let themselves be heard, like the Gorgon sisters' mourning cries. Even if they refuse to look through, giving only the chosen entrance into a tent of branches, lying protectively from the outside, inside almost knowingly silent. The wind strokes through the leaves so that they shine like ducats, stretching into the water on the riverbank and brushing the surface. Perhaps mermaids are about to emerge from the dark stream, water spirits are stepping over the bank, fighting their way out of the densely overgrown vegetation?

Under the beech, however, something lies hidden, a fragment from another sphere, opening the view to the future or the past. Is it a relic of a cult site like in Iphigenia on Tauris? An archaeological excavation piece? Earth lies on the polygon, as if on a flat stage ready for the big show. Whoever approaches can hear it, can feel it, how sounds vibrate out of the polygon and basses take possession of the surroundings. A small pile of earth piles up on one side to form a pyramid, the most elementary of all forms. But vibration causes the small mound to shrink, to collapse as if in a landslide. The language of form is archaic, are the sounds of the voice that lies buried inside the object. It grounds the viewer. 

But then a moment of irritation, which knows how to disturb from the harmonious atmosphere. The sound surges against the permeable inner walls and beyond them. Suddenly it stands out - the human intervention in nature, the contrast of the artificially created and the natural growth. One of the boundaries, for example, under the auratically charged weeping willow, is constructed of bamboo poles. At nightfall, high spotlights illuminate the plant walls. How can technology work symbiotically with nature? To master global crises, we may have to go back to the root of our understanding of nature. After all, in terms of the Earth as a whole, humanity is like fireflies that light up for just one night until they burn out again at dawn.


Text by Julia Stellmann

Translation by Nadine Karl